Mein Name ist Arthur – ich bin Alkoholiker …

Diesem lapidaren Satz habe ich meine wieder erlangte körperliche und geistige Gesundheit zum größten Teil zu verdanken. Diese wenigen Worte haben für mich eine Bedeutung erlangt, die nur meine Freunde in AA ganz begreifen können.

Vor nunmehr 28 Monaten kam ich zum ersten Mal zu einem AA-Meeting. Innerlich zitternd und bebend, weil ich noch unter den Nachwirkungen meines letzten, zwei Tage dauernden Exzesses litt, war ich doch voller Hoffnung, wie sie ein Bankrotteur haben muss, der seine letzte Mark zum Wettschalter trägt: „Alles oder Nichts“. – Was ich damals nicht wusste, war die Tatsache, dass meine Chance tausendmal größer war als die eines finanziellen Bankrotteurs, denn ich konnte bei AA nur gewinnen. Es gab keine Nieten.

Als Heranwachsender hatte ich den ersten Vollrausch, und seitdem war der Alkohol dominierend in meinem Leben. Immer in finanziellen Schwierigkeiten – immer auf der Flucht vor mir selbst – Schulden – immer kurz vor der Entlassung stehend – den Arbeitsplatz oft wechselnd und immer mit dem festen Vorsatz: „Ab morgen kein Tropfen mehr – und ein neues Leben anfangen“.

Aber der Alkohol ließ sich nicht von mir beherrschen, sondern er beherrschte mich. Wegen einer Bagatellschuld wollte ich zur Fremdenlegion, nachdem ich wieder einmal, statt eine Rate zu bezahlen, alles vertrunken hatte. Im letzten Augenblick stellte mich die Kriminalpolizei, und ich wurde auf „Staatskosten“ wieder nach Hause befördert. Dabei lernte ich so ziemlich alle Haftanstalten, die auf dem Wege lagen, von innen kennen.

Da ich gewillt war, meine Schuld zu bezahlen, wurde ich bald wieder auf freien Fuß gesetzt. Doch alle guten Vorsätze waren dahin, als ich – die ausgefüllte Zahlkarte in der Tasche – in eine Gaststätte ging und zwei Glas Bier und zwei Schnäpse getrunken hatte. Mein Erinnerungsvermögen setzte wieder ein, als ich am anderen Tage auf einer Parkbank erwachte.

Auch die Ehe, in die ich mich nach einiger Zeit flüchtete, vermochte nicht, den unaufhaltsam fortschreitenden körperlichen und geistig-seelischen Verfall zu bremsen. Haft – Führerscheinentzug – Ausnüchterungszelle – trockenes Würgen – Angst- Schweißausbrüche – und schließlich der völlige Zusammenbruch nach einer sieben Tage dauernden „Tour“. Selbstmordversuch – das war das Fazit.

Wie meine Frau das die ganze Zeit ertragen hat, ist unbeschreiblich. Wenn ich heute zurückblicke, wird mir erst voll bewusst, wie weit ich heruntergekommen war.

Nach Tagen völliger Verzweiflung nahm ich zunächst brieflich mit einer AA-Gruppe in der Nähe meiner Heimatstadt Kontakt auf. Der erste Besuch eines Meetings folgte. Als ich dann aufhörte, auch nur einen einzigen Schluck Alkohol zu trinken und mich bemühte, nach dem Vorbild meiner neuen Freunde zu leben, als ich auf den Rat der „älteren“ AA hörte und mir vornahm, immer nur die nächsten 24 Stunden nicht zu trinken, da lösten sich fast alle meine Probleme wie von selbst.

Was mir früher durch den Alkoholdunst verborgen blieb, enthüllte sich mir – und mir wurde klar, wie viel ich nachzuholen hatte, um mein 15 Jahre dauerndes Dämmerdasein wettzumachen. Aber auch selbst dann, wenn ich es nicht schaffen sollte, auch nur einen einzigen Tag aufzuholen, werde ich nicht verzweifeln, denn ich habe mich selbst gefunden. Eine wunderbare Ruhe und Gelassenheit ist in mir. Meiner Arbeit kann ich ungehindert nachgehen, und ich kann menschliche, finanzielle und sonstige Schwierigkeiten lösen. Nach einem Jahr Nüchternheit konnte ich wieder Auto fahren.

Es scheint mir heute wie ein Wunder, dass aus einem Menschen, der die Welt nicht mehr verstand,

weil der Alkohol ihn auf der geistigen Stufe eines Minderjährigen stehen ließ,
weil er ihn aushöhlte und ihm die Kraft und die Möglichkeit nahm, in dieser Welt als vollwertiger Mensch zu leben, zu empfinden und zu denken,
der sein Leben wegwerfen wollte, weil er damit nichts Rechtes mehr anzufangen wusste,
der sein Dasein verfluchte und unzähligen Menschen nur Kummer und Leid bereitete,

dass aus diesem Menschen jemals wieder ein vollwertiges Mitglied der menschlichen Gesellschaft werden würde.

Dies alles war nur möglich, weil Männer und Frauen, AIkoholiker, die sich meiner annahmen und zu denen ich vom ersten Augenblick an Vertrauen hatte, mir das Verständnis entgegenbrachten, das ich brauchte und sonst nirgends fand, und weil diese es konnten, weil ja auch sie Alkoholiker waren.

Ich fand eine Kameradschaft und Zuflucht und darin immer jemanden, der bereit war, mir zuzuhören, zu raten und zu helfen, soweit es in seinen Kräften stand. Man kann sich dort „frei“sprechen wie sonst nirgends und hat dann wieder Raum in seinem Inneren für neue Erkenntnisse und bessere Taten. Ein normal trinkender Mensch konnte früher meine Art zu trinken nicht verstehen, und er versteht auch heute nicht, dass ein einziger Schluck Alkohol dieselbe Kettenreaktion auslösen würde, die mich an den Rand der Verzweiflung und beinahe ins Grab brachte.

Aus mir, dem einsamen Alkoholiker, der sein Leben nicht mehr meistern konnte und der aus dieser Welt fliehen wollte, wurde langsam ein Mensch, der das Leben liebt, weil er mit Hilfe der Gemeinschaft von AA eine geistige Wiedergeburt erlebt hat.